Die Orthokeratologie ist so etwas wie die ‘orthopädische Behandlung der Kornea’ (Hornhaut), erklärt der Augenarzt Dr. Hans Walter Roth vom Institut für wissenschaftliche Kontaktoptik in Ulm. Während dieses schon seit längerem bekannte Behandlungsverfahren bei vielen Augenerkrankungen durch die Refraktive Chirurgie abgelöst wurde, ist sein Einsatz gerade da gefragt, wo LASIK versagt: Bei missglückter Refraktiver Chirurgie, nach der keine weiteren korrigierenden Operationen mehr möglich sind.
Die Orthokeratologie beruht auf dem einfachen Prinzip, dass eine Kontaktlinse während des Tragens Druck auf die Hornhaut des Auges ausübt und dadurch langfristig die Hornhautvorderfläche verändert. In früheren Jahren wurde dieser Effekt genutzt, um Weitsichtigkeit (Amblyopie) zu korrigieren – heute eine Domaine der Laserchirurgie. Doch damit ist die Orthokeratologie keinesfalls überflüssig geworden. Welche Augenerkrankungen mit diesem Verfahren therapiert werden können, schildert Roth in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift ‘Der Augenspiegel’.
Ist das Ergebnis einer LASIK-Behandlung nicht zufriedenstellend ausgefallen, so können entstandene Über- oder Unterkorrekturen mit Hilfe der Orthokeratologie ausgeglichen werden. Auch so genannte irreguläre Astigmatismen, Unregelmäßigkeiten der Hornhautvorderfläche, die durch Verletzungen, Verbrennungen, Verätzungen oder eben auch infolge einer refraktiven Hornhautchirurgie enstehen, können mit dem Verfahren korrigiert werden.
Doch bei anderen Erkrankungen hilft die Orthokeratologie weiter. Ein mögliches Anwendungsgebiet ist etwa die so genannte hereditäre (vererbliche) progressive Myopie, eine seltene Erkrankung des Kindes oder Jugendlichen, bei der es zu einer rasch zunehmenden Aufsteilung des Hornhautzentrums kommt. In Fällen, bei denen die Kurzsichtigkeit um mehr als 2,0 dpt. pro Jahr ansteigt, könne die Orthokeratologie die fortschreitende Verschlechterung aufhalten, betont Roth. Die Anpassung der Kontaktlinse könne hier bereits ab dem 4. Lebensjahr erfolgen.
Das klassische Einsatzgebiet der Orthokeratologie sei der so genannte Keratokonus, eine kegelförmige Deformation der Hornhaut, die angeboren sein oder auch nach Hornhautentzündungen entstehen kann. Mit einer flach angepassten Linse kann die mit diesem Krankheitsbild einhergehende Aufsteilung des Hornhautzentrums verlangsamt und damit eine Verschlimmerung der Erkrankung verhindert werden, berichtet Roth weiter.
Einen entscheidenden Nachteil habe die Orthokeratologie jedoch, so Roth. Werden die Kontaktlinsen nicht mehr getragen, könne sich die Hornhaut wieder zurückbilden. Um zu verhindern, dass die Brechungsfehler wieder auftreten, müssen die Patienten deshalb mindestens zwei Stunden so genannte Retainerlinsen tragen, die ein Wiederauftreten der Brechungsfehler verhindern.
Bei allen Vorzügen und Möglichkeiten dieser Therapieform warnt Roth allerdings vor einer unsachgemäßen Anwendung der Orthokeratologie. Bei der Kontaktlinsenanpassung müsste die Elastizität des Linsenmaterials sowie die Größe und Lage der Auflagefläche der Linse auf der Hornhaut genau berrechnet werden. Außerdem sei die Behandlung nur unter regelmäßiger Kontrolle durchzuführen. Bei einem Missbrauch dieser Therapie könnten dagegen dauerhafte Schäden des Auges und des Sehvermögens entstehen. Roth: ‘Eine Linsenanpassung per Versandhandel ist deshalb abzulehnen.
Quelle:
http://www.augen-und-mehr.de/s/artikel/ ... sp?ID=4303